«Chumm embrüf uf d’Moosalp»

Es riecht nach Bergsommer auf der Moosalp. Hier oben streift man gerne durch die Hochmoore, wandert entlang der kleinen Seen, lässt den Blick in die Ferne auf Gletscher und schneebedeckte Gipfel schweifen. Aber auch am Boden entdeckt man Schätze: Die Natur bietet hier seltenen Heilpflanzen und wertvollen Kräutern ein Zuhause. Kehrt man ein, im Restaurant Moosalp, trifft man ab und zu ein solches Kräutchen auf dem Teller an. Sorgsam gepflückt vom Wirtepaar Carmen und Amadé Kalbermatten.

Den Weg zum Restaurant Moosalp auf 2048 M. ü.M. nimmt man gerne aus eigener Kraft in Angriff. Zu Fuss, mit dem Rennvelo oder dem Mountainbike. Entlang der Suonen, durch Lärchen- und Arvenwälder, über Stock und Stein und über Gipfel. Mitbringen sollte man Zeit. Um sich hinzusetzen und der herrlichen Stille zu lauschen. Um darin das Summen der Bienen zu entdecken, das Rauschen des Bergbaches und das Knacken eines Lärchenzapfens in der Hitze.

Daheimlassen kann man das Sandwich. Denn im Restaurant Moosalp tischt das Wirtepaar Carmen und Amadé Kalbermatten kulinarische Höhenflüge auf, die man in so luftiger Höhe nicht erwartet. Die typische Alphütte trifft man hier nicht an: Das Haus präsentiert sich selbstbewusst als Mitglied der Gilde etablierter Schweizer Gastronomen. Ganz zu schweigen von den 14 Gault Millau-Punkten und diversen weiteren Auszeichnungen, welche die Aufmerksamkeit auf den Betrieb erhöht haben.

Alpenromantik damals wie heute

Noch bis Ende der vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts verirrte sich kaum ein Wanderer in die heile Alpenwelt der Moosalpregion. Lediglich 180 Kühe sömmerten hier mit ihren Hirten. Das änderte sich mit zwei grossen Bauwerken: 1947 realisierte man eine neue Wasserleitung vom Embdbach bis nach Zeneggen. Ein Jahrhundertbauwerk, das für die Vegetation des trockensten Gebietes der Schweiz noch heute von lebenswichtiger Bedeutung ist. 

Das zweite grosse Bauwerk im Jahre 1964 veränderte die Sommersaisons auf der «Moosalp» radikal: Die neuen Alpstallungen mit Sennhütte. Gleichzeitig verlängerte man auch die bestehende Forststrasse von Bürchen herauf bis zum heutigen Restaurant. Bis 1979 verköstigte die «Bergbeiz» vorwiegend die Bauern, welche hier den Alpsommer verbrachten. Dann eröffnete die Moosalp AG einen Skilift. Seither düsen Skibegeisterte im Winter direkt vor dem Restaurant Moosalp durch - oder kehren ein, wenn der Magen knurrt!

Mit der Wintersaison gab es auch den einen und anderen Umbau am Gebäude. Die eigenwillige Form des Hauses ist zum Glück geblieben. Eigenwillig, da es optisch den Stallungen gegenüber angepasst ist und über ein markantes Pultdach verfügt. Dann kamen ein Raclette-Hüsli im Chaletstil dazu, ein Wintergarten auf der Westseite, die Sonnenterrasse mit herrlichem Panorama auf der Südseite, eine grössere Küche und vor kurzem die Mischabel-Lounge in der ersten Etage des Hauses. Diese Anpassungen waren auch nötig, um dem Gästezuwachs gerecht zu werden. Denn das Restaurant Moosalp wurde im Laufe der Zeit immer bekannter.

Heute steht den Gästen folgendes Platzangebot zur Verfügung: Im Restaurant 50 Plätze, im Wintergarten 30 Plätze, 24 Plätze in der Mischabel-Lounge, 120 auf der Südterrasse und 30 auf der Nordterrasse. Zum Apero trifft man sich, wenn nicht draussen auf der Terrasse, gerne auch im Weinkeller am langen Tisch für 16 Personen. Wo man auch hinschaut - überall deckt man Geschichten von früher auf, sei es auf Fotos, auf Holzdrucken, in Zitaten und in Malereien auf der Fassade. «Damit man die Herkunft nicht vergisst», erklärt Carmen Kalbermatten die Details.

Kulinarik auf höchstem Niveau

«Moru geit ds Moos üf - geh wer ga lüege, was Niwws git!», lautete vor ein paar Jahren der Dorfschwatz unten in Törbel. Amadé Kalbermatten lebt seine Kreativität in der Küche aus, probiert ständig Neues aus, lässt sich auf Reisen inspirieren und hat den Mut, sein Verständnis von Kulinarik auf höchstem Niveau auszuleben. So reicht die geschmacklich-kombinatorische Palette vom Feigen-Carpaccio, das mit Baumnusspesto und Burrata serviert wird, über die Lammhaxe mit Alpenthymian und dem herzhaften Raclette vom Feuer bis hin zum exzellenten Alpen-Sushi aus Reis, Aprikosen und Trockenfleisch.«Meine Küche ist exotisch-lokal-mediterran», beschreibt Gilde-Gastronom Amadé Kalbermatten seinen Stil. Für seine Kreationen geht er gerne raus in die Natur und sammelt Lärchenspitzli, wilder Broccoli, Pilze und andere Köstlichkeiten, welche das Hochmoor hergibt. Zur Freude der Gäste. 

Welche Art von Menschen den Weg auf die Moosalp finden? Vom Bauer bis zum Millionär. Vom Rennvelofahrer im Lycradress bis zur feinen Dame im Deux-Pièce.

Die Crème de la Crèmeschnitte

Ein Moosalpkenner scheint an dieser Stelle wohl zu intervenieren. Hey Gourmet! Du hast die Crèmeschnitte in deiner Aufzählung vergessen. Stimmt. Denn wegen der zarten Crème, welche kunstvoll zwischen hauchdünnem Blätterteig geschichtet wird, ist die Moosalp schliesslich weit über die Landesgrenze hinaus bekannt geworden.

«Mein Traum ist, dass ich meine Crèmeschnitte in einem Foodtruck im Central Park in New York verkaufen kann», schwärmt Amadé Kalbermatten. Da hoffen wir nur, dass er diesen Traum nur jeweils im März, April, und von Mitte Oktober bis an Weihnachten verwirklicht. Also während den Wochen, in denen der Saisonbetrieb geschlossen ist. Nur um die Beliebtheit der Crèmeschnitte zu untermauern: An einem schönen Sonntag reichen zehn grosse Backbleche mit der Köstlichkeit nicht aus. «Es gab sogar schon mal einen Take-Away nach Dubai», lacht Amadé Kalbermatten. In welchem Zustand die Köstlichkeit dort angekommen ist, möchte man hier lieber nicht erwähnen.

Unbedingt erwähnen wollen wir aber, dass die Schnitte auch am Meter bestellt werden kann. Wie dies schon mal Skirennfahrer Ramon Zenhäusern tut, dessen Karriere auf der Skipiste nebenan begann.

Familienbande

«Life is great», platzt es wie ein Wahlversprechen aus Amadé Kalbermatten heraus. Leidenschaft und Glück sind es, die ihn mit «seiner» Moosalp verbinden. Der ausgebildete Koch ist mit der Moosalp gross geworden. Das Anwesen befand sich schon lange in Familienbesitz, seine Eltern Werner und Balbina Kalbermatten übernahmen den Betrieb im Jahre 1990. Seine Mutter pflegte stets zusagen: «Geh in die Küche, da hast du immer warm und genügend zu essen.» So schnürte er sich die Schürze um, absolvierte eine Kochlehre in Täsch, sammelte berufliche Erfahrungen in den Profi-Küchen von Visp, Brig, Saas-Fee und Montreux und kehrte wieder heim. Hier führte er den Betrieb gemeinsam mit seiner Schwester. Bis Carmen in den Betrieb einstieg. Ob die Kindergärtnerin und Primarlehrerin das musste, als Gattin des Moosalp-Wirtes?

«Als ich mit 25 Jahren auf Weltreise war, schrieb ich in mein Tagebuch meine Zukunftspläne auf. Da war der Traum vom Gastgewerbe erwähnt. Doch vor dem Aufwand einer dreijährigen Servicelehre scheute ich mich», gibt Carmen Kalbermatten zu. Heute, sagt sie, hätte sie ihren Traum mit der Moosalp verwirklichen können. «Der Einstieg war hart», erinnert sie sich. Gekonnt bringt sie ihr Organisationstalent und die nötige Ruhe in den Betrieb. Das Ehepaar hat zwei Kinder. Sohn Jeremy besucht die Schweizerische Hotelfachschule in Luzern, Tochter Priscilla lernt Grafikerin EFZ. Ein bisschen zur Familie gehört auch das Team. 18 Mitarbeitende wirken im Service. Darunter einige Pensionäre, die im Raclette-Hüsli am Feuer stehen und den Käse inklusive Gäste zum Schmelzen bringen. Das Küchenteam besteht aus sieben Mitarbeitenden. Darunter Lobi und Jampa. Lobi hat vor einigen Jahren den Weg vom Flüchtlingsheim hoch zur Moosalp gefunden und legte eine Turbointegration hin.

Heute bringt er zusammen mit seinem Freund Jampa ein Hauch von Tibet mit in die Küche.

Quelle: Gourmet (Ausgabe 7/21)

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